Book Review |
Corresponding author: Holger Dathe ( holger.dathe@senckenberg.de ) Academic editor: Thomas Schmitt
© 2024 Holger Dathe.
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Citation:
Dathe H (2024) Ohl M (2018) Stachel und Staat. Eine leidenschaftliche Naturgeschichte von Bienen, Wespen und Ameisen. Droemer Verlag, München. ISBN 978-3-426-27749-2. Contributions to Entomology 74(1): 35-36. https://doi.org/10.3897/contrib.entomol.74.e119311
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Nun habe ich drei Bücher von Michael Ohl gelesen und dabei wieder eine tiefere Erkenntnis darüber gewonnen, was mich an der Entomologie so fasziniert hat, dass ich ihr erst viel von meiner Freizeit und später mein ganzes Arbeitsleben gewidmet habe. Ähnliches habe ich schon einmal erlebt mit Büchern von Fredrik
Damit sind wir bei Michael Ohls engerem Thema, den Hautflüglern, innerhalb derer er vor allem die Grabwespen näher erforscht. In „Stachel und Staat“ schildert der Autor sehr persönlich, wie er zu seinen Studienobjekten gelangte und zunehmend Einsichten in ihre Entwicklungsgeschichte gewann. Damit verbinden sich grundlegende Erkenntnisse zur Wirkungsweise der Evolution überhaupt. Er legt dar, welche Schlüsselmerkmale zum Ausgangspunkt für eine rasante Radiation der Träger solcher „Zukunftsgene“ werden, und er stellt fest, dass es bei den Hymenoptera gar nicht sehr vieler evolutiver „Erfindungen“ bedurfte, um daraus eine der großen, megadiversen Insektengruppen entstehen zu lassen. Zunächst ist es die Wespentaille, die die Beweglichkeit ihrer Träger deutlich erhöht und zu den hochdiversen Aculeata führt. Weitere dienliche Neuerwerbungen der Aculeata sind die Umbildung des Legeapparates zu einem effektiven Wehrstachel, aber auch die Haplodiploidie, die die Bildung arbeitsteiliger Sozialstrukturen begünstigt. Jedes dieser Merkmale wird in der Folge weiter ausgestaltet, so dass am Ende aus solitären Ausgangsformen von Wespen, Bienen und Ameisen völlig neuartige Sozietäten mit besonderen internen Strukturen, Verhaltensweisen, Bauten und anderen einzigartigen Fähigkeiten werden, so dass die Tiere Ökosysteme dominieren können. Innerhalb der Insekten gibt es das nur noch ein einziges Mal, bei den Termiten, aber warum bei den Aculeata gleich mehrfach parallel? Einleuchtende Erklärungen diskutiert der Autor, allerdings nicht in Lehrbuchform, sondern anhand exemplarisch ausgewählter Aspekte, namentlich jene, die mit dem Wehrstachel verbunden sind. Solche Kapitel sind beispielsweise die Wespenfärbung (Warnung und Tarnung), die Wespentaille (Beweglichkeit), Giftwirkung (die Schmerzskala in 10 Stufen), soziale Strukturen und ihre Vorteile sowie Prinzipien der Nestarchitektur. Die Erörterung geschieht auf höchst unterhaltsame Weise, ohne je den wissenschaftlichen Boden zu verlassen. Die Lektüre kann jedem empfohlen werden, der sich für die Natur interessiert. Er wird auf die eine oder andere Weise Gewinn daraus beziehen, zumal das Buch mit fantastischen Makroaufnahmen (Bernhard Schurian) sowie zahlreichen Illustrationen zum Text aus dem reichen Fundus des Naturkundemuseums Berlin ausgestattet ist.